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Hans im Glück

Publiziert am von bs

Es war einmal ein junger, fröhlicher Bursche namens Hans.

Nachdem er die Jahre der Lehre abgeschlossen hatte, trat er vor den Meister und dieser sprach: „Du warst mir ein guter Lehrling, Hans. Hast nicht harte Arbeit gescheut, warst mir ein zuverlässiger und tüchtiger Helfer, so dass ich stets mit dir zufrieden war. Nun hast du die Lehre hinter dich gebracht, und ich will dich anständig, wie es dir gebührt, für deine Mühen entlohnen.“ So sprach der Meister, übergab Hans einen großen Klumpen Gold und entließ ihn in die weite Welt, auf dass er seinen Weg finden möge.

So begann Hans seine Wanderung, fröhlich pfeifend, mit dem Goldklumpen in der Tasche. Die Sonne schien freundlich auf sein Haupt, die Vögel sangen, und ihm lachte das Herz. Die Arbeit hatte ihm Freude bereitet, und nun hatte er ausgelernt und war reich entlohnt worden. Er war glücklich und zufrieden, war nun ein freier Mann und hatte reichlich Gold in der Tasche, und so zweifelte er nicht an einer rosigen Zukunft und dass das Leben es mit ihm gut meinte.

Bereits kurze Zeit später stand die Sonne im Zenit und brannte erbarmungslos auf die Landstraße hernieder, so dass Hansen der Schweiß von der Stirn perlte. Der Goldklumpen wurde von Schritt zu Schritt schwerer und schmerzte ihm Schulter und Rücken und er begann ihn fortzuwünschen, dass er ihn nicht länger schleppen müsse. Da kam plötzlich ein großer, schwarzer Wagen des Weges, drosselte seine Geschwindigkeit und kam neben Hansen zum stehen. Wie von Zauberhand senkte sich die getönte Fensterscheibe und das freundliche, aufgequollene Gesicht eines Mannes erschien im Inneren des Wagens. Er sprach: „Gott zum Gruß, junger Wanderer! Wohin des Weges?“ „Hans ist mein Name. Ich habe meine Lehre beendet und der Meister gab mir einen großen Goldklumpen, der so schwer ist, dass er mir den Rücken schmerzt.“ Der Mann im Wagen merkte auf: „Ein großen Goldklumpen sagst du? So steig ein, ich will dich ein Stück mitnehmen, Hans.“ Voll Dank stieg Hans in den Wagen, und mit lautem Motorengeheul brausten sie davon.

Die Landschaft jagte draußen am Fenster vorbei, und Hans wurde beinah ein wenig flau im Magen, doch war er glücklich, seine Füße ausruhen zu können. Schon bald erreichten sie das nächste Dorf, und der Mann lenkte den Wagen zu einem großen, schönen Haus mit herrschaftlicher Anmutung und allerlei Zierwerk an der Fassade. „Einen Goldklumpen schleppen,“ so sprach der Mann, „ist wahrlich eine unnötige Plackerei, welche wohl keinem Menschen gut bekommt. Hier wohnt ein Freund von mir, welcher dir helfen kann. Sende ihm meine Grüße!“ Hans bedankte sich aufrichtig für die Hilfe seines neugewonnenen Freundes und betrat das schöne Haus durch die große Eingangstür. Es freute ihn, einen so netten Menschen getroffen zu haben, und er war gespannt, was ihn wohl nun als Nächstes erwarte.

Im Inneren war das Haus ebenfalls sehr schön. Boden und Säulen waren aus weißem Marmor und meisterhafte Gemälde schmückten die Wände. Ein dicker Mann mit einem Schnauzbart kam freundlich und einladend auf Hans zu und hieß ihn willkommen. Hans grüßte, und der dicke Mann fragte untertänig, wie er ihm wohl dienen könne. „Hans ist mein Name. Ich habe meine Lehre beendet und der Meister gab mir einen großen Goldklumpen, der so schwer ist, dass er mir den Rücken schmerzte. Doch dann kam ein Freund mit einem großen schwarzen Wagen und war so nett, mich hierher zu bringen. Er sagte, ich solle euch seinen Gruß bestellen und man würde mir hier gerne helfen.“ Der dicke Mann strahlte und bot Hans einen Stuhl, so dass er sich erst einmal setzen möge und man in Ruhe darüber sprechen könne. Dankbar nahm Hans Platz, und der Mann begann zu sprechen.

Die Reden des dicken Mannes gefielen Hans gut. Mal sprach er mit lauter, donnernder Stimme, dann wieder leise, beinahe andächtig. Hier und da erwartete er Hansens Zustimmung, die dieser gerne gab, und dann fuhr er fort mit seinem kunstvollen Vortrag. Hans war gefesselt und lauschte gespannt, obgleich er nicht verstand, worum es dem Mann ginge und wohin seine Reden führten, da er viele Wörter gebrauchte, die Hans noch nie gehört hatte. Doch wollte er nicht fragen, um den Mann nicht zu verstimmen. Der Mann sprach so begeistert und wahrlich gekonnt, dass Hans es nicht über sich gebracht hätte, seine Darbietung durch eine Zwischenfrage zu stören. Auch wollte er seine eigene Unwissenheit verbergen, um nicht in der Achtung des Mannes zu sinken, woraufhin dieser womöglich keine Lust mehr hätte, sich weiter zu unterhalten.

So sprach der Mann eine gute Stunde, bis er schließlich zum Ende gekommen schien und Hans bat, seinen Namen auf eine große Menge Papiere zu schreiben. Dieser tat, wie ihm geheißen und war überrascht, als er danach gebeten wurde, nun den Goldklumpen auszuhändigen. Erschrocken tat er auch dies und erhielt zum Ausgleich ein kleines goldenes Kärtchen mit seinem Namen darauf. Immerfort freundlich auf ihn einredend, schob der dicke Mann ihn zur Tür, und schon fand er sich draußen wieder, vor dem schönen Haus, mit nichts weiter als dem kleinen Goldkärtchen in der Hand.

 

Doch war er glücklich, den unbequemen, schweren Klumpen loszusein, steckte das Kärtchen in seine Tasche und machte sich erneut auf den Weg in die weite Welt. Es war mittlerweile schon Nachmittag geworden, und ihm knurrte der Magen, da er seit dem Frühstück nicht gegessen hatte. So betrat er gleich die nächste Gaststätte und bestellte sich ein großes Stück Fleisch mit reichlich Beilagen und dazu den besten Wein des Hauses. Er aß sich satt und trank den guten Wein, bis es draußen bereits zu dämmern begann. Der Wirt fragte ihn freundlich, ob es ihm geschmeckt habe und Hansen lobte seine fabelhafte Küche. Als er dem Wirt nun jedoch sein kleines Goldkärtchen zeigte, war dieser gar nicht mehr so freundlich und meinte, Hansen könne damit nicht zahlen. Wie Hans darauf erschrocken erwiderte, er habe nur mehr jenes Kärtchen, wurde der Wirt wütend und schrie: „Du kommst in meine Wirtschaft und speist wie ein König, trinkst meinen besten Wein und kannst nicht für die Zeche aufkommen? Ich werde dir Beine machen, dreckiger Landstreicher!“ Seine große Faust traf Hansen schmerzlich an den Kopf, so dass dieser im hohen Bogen vom Stuhl fiel. Kaum hatte er sich aufgerappelt musste er schon weitere Tritte und Hiebe einstecken, welche ihn gewaltsam zur Tür und hinaus auf die Straße beförderten. Dort fing er an zu laufen und hörte noch aus der Ferne das drohende Gebrüll des rasenden Wirtes. Blut tropfte ihm aus seinen Wunden und sein Schädel dröhnte.

Es war Nacht geworden, und Hans schleppte sich wütend zu dem schönen Haus des dicken Mannes mit dem Schnauzbart, der ihn offensichtlich betrogen hatte. Dort angekommen, fand er die Tür verschlossen und die Fenster dunkel. Er klopfte und rief, doch keiner antwortete. Von ferne hörte man Donner, es begann zu regnen und ein kühler Wind setzte ein. Seine Wunden schmerzten ihn sehr, und er begann zu frieren. Kraftlos sank er vor der großen Eingangstüre des schönen Hauses nieder und begann bitterlich zu weinen. Was war geschehen? Noch heute morgen war er glücklich gewesen und jetzt lag er hier am Boden, verwundet und allein. Traurig hallten seine Schluchzer in die dunkle Nacht hinaus.

Bereits nach kurzer Zeit sah er einen Wagen die Straße entlang kommen und direkt vor ihm anhalten. Zwei große, uniformierte Männer mit kantigen, unfreundlichen Gesichtszügen kletterten aus dem Wagen und stellten sich vor den am Boden liegenden Hans. „Personenkontrolle. Kann ich mal den Ausweissehen?“ fragte der eine mit harter, befehlender Stimme. „Ich bin Hans. Ich habe meine Lehre beendet, und der Meister gab mir einen großen Goldklumpen, der so schwer war, dass er mir den Rücken schmerzte. Danach brachte mich ein netter Mann in einem großen, schwarzen Wagen hierher zu diesem Haus und ein dicker Mann mit einem Schnauzbart war darin, der gab mir diese goldene Karte mit meinem Namen darauf.“ Hans suchte in seiner Tasche, doch sie war leer. Er musste die Karte über die Rauferei in der Wirtschaft vergessen haben. „Der dicke Herr,“ stammelte Hans, „er muss mich betrogen haben, weil der Wirt mich schlug, wie ich das Essen nicht bezahlen konnte!“ Kühl blickten die Polizisten auf ihn herab. Plötzlich zückte der eine seinen Schlagstock und schlug Hansen so fest, dass man mit lautem Knacken seine Knochen brechen hören konnte. „Der Herr mit dem Schnauzer ist mein Bruder, du Lump. Pass auf, wen du einen Betrüger nennst!“ schrie der Polizist. Hans erwiderte nur mehr ein leises, kraftloses Wimmern, spuckte einen Schwall Blut und verlor das Bewusstsein.

Am anderen Morgen erwachte Hans, als ein warmer Sonnenstrahl durch das Zellenfenster auf sein Gesicht fiel. Seine Wunden waren verkrustet, und er fühlte sich wie gerädert. Mit einem lauten, metallischen Geräusch ging die Zellentür auf und zu seiner Überraschung trat der dicke Mann mit dem Schnauzer herein, doch Hans war zu erschöpft um zornig zu sein. Das Gesicht des Mannes war ernst, als er Hans begrüßte: „Ich habe eine schlechte Nachricht, aber davon gleich.“ Er räuspert sich und begann zu sprechen: „Das Missverständnis mit dem Wirt und meinem Bruder dem Polizisten, welche dich für einen armen Landstreicher gehalten haben, konnte ich natürlich aufklären und dich erwartet also keine weitere Strafe. Der Wirt hat seine Anzeige zurückgezogen und auch mein Bruder wird die Vorfälle der letzten Nacht vergessen, so dass du keine Verurteilung fürchten musst.“ Dies sagte der Mann mit ernster, aber beruhigender Stimme. „Die schlechte Nachricht aber gilt deinen Anlagen. Der Dax ist letzte Nacht in den Keller gestürzt, folglich haben deine Aktien gravierende Werteinbußen hinnehmen müssen. Es tut mir leid, junger Freund, aber du hast dich einfach verspekuliert.“ Hans sah den Mann ungläubig an. Besonders den Teil mit dem Dachs hatte er nicht verstanden, und was der Mann ihm nun genau mitteilen wollte, schien ihm ebenso schleierhaft. Allerdings war er sehr glücklich, dass sich die Sache mit dem Wirt und dem Polizisten aufgeklärt hatte. Er dankte dem Mann mit dem Schnauzer für seine Hilfe und verließ hinkend die Zelle.

Draußen auf der Straße war er glücklich, wieder frei zu sein und dass ihm Schlimmeres erspart geblieben war. Das Gehen fiel ihm schwer, die Schritte schmerzten, aber er war froh über die schnelle Hilfe des Freundes. Auch wenn das Leben einem übel mitspielt, so gibt es doch immer einen Funken Hoffnung, philosophierte er so vor sich hin. Ist die Welt auch krank und schlecht, und trachtet einen zu zerstören, so wird man doch nicht untergehen, wenn man nur ein paar liebe Freunde hat, sagte er sich selbst, und bei dem Gedanken war ihm gleich wohler.

Just in dem Moment fuhr der große, schwarze Wagen vorbei, so nah, dass er Hans in eine dunkle Wolke von Abgasen hüllte und dieser husten musste. Er winkte, doch der Freund schien ihn nicht gesehen zu haben, und der große, schwarze Wagen verschwand in der Ferne und ließ Hans allein am Straßenrand zurück.

Und so ging Hans seiner Wege, und wenn er nicht gestorben ist, dann tut er das noch heute.

(Studienarbeit „Märchenadaption“, 2009)


 
 

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